Merkwürdiger Jahresbeginn. Der Bundespräsident tritt aktiv für Nächstenliebe ein und erinnert uns daran, von unseren Freunden für die Nutzung von Gästezimmer und Handtüchern keine Miete zu nehmen. Kai Diekmann (BILD), der Wulffs törichten Anruf auf seine Mailbox längst ohne jede Rücksicht auf Amt oder Persönlichkeitsrechte an Freund und Feind durchgesteckt hat, um Wulffs Rücktritt nicht alleine vor Kanzlerin Merkel verantworten zu müssen, geriert sich als Retter der Pressefreiheit und fordert Transparenz.
(Zeitgleich treffen sich die Liberalen zum gefühlten 1000. Mal in Stuttgart. Bestimmt reden Sie mal wieder darüber was sie alles Tolles liefern wollen. Mit etwas mehr Mut beschlössen sie die Selbstauflösung.)
Doch zur Sache: Ehrlich, wenn ich mal zu betrunken war um nach Hause zu fahren, wollte noch nie einer meiner Freunde Geld von mir. Aber genauso selbstverständlich bezahle ich, wenn wir die Ferienwohnung von Freunden wochenweise als Urlaubsdomizil nutzen, zumindest die anfallenden Kosten. Selbst die Geschichte mit dem Kredit eines befreundeten Unternehmers wäre eine Lappalie, hätte sich Christian Wulff in der Vergangenheit nicht selbst als Schaf unter Wölfen inszeniert. Und dann – wenn man mal an den eigenen Plattitüden gemessen werden soll – vermutlich verkatert – auf Kai Diekmanns Mailbox zu drohen ist natürlich auch nicht die feine Art. Dumm gelaufen, Herr Bundespräsident.
Problematisch wird das jetzt vor allem, weil wir (Internetaktivisten, Blogger und Umfragevolk) der BILD vor kurzem erst ihr Lieblingsspielzeug (zu Guttenberg) aus der Hand geschlagen haben. Diesen Sieg der Demokratie gegen die Bild-Zeitung wird uns diese so schnell nicht verzeihen. Da wird auf dem Altar der Wiedergutmachung noch so mancher Wulff geopfert werden müssen, bis man bei der BILD zu alter Stärke und Selbstbewusstsein zurückgefunden hat.
Um zwei Dinge geht es hier allerdings bestimmt nicht: Um Pressefreiheit oder die Würde des Amtes. Viel eher beschimpfen sich hier eher zwei ausgebuffte Schlitzohren. Wulffs Problem: Kai Diekmann ist es von Berufs wegen gewohnt, bis zu den Knien in der Scheiße zu stehen und genüsslich darin zu wühlen. Da Wulff längst alleine dasteht, ist es also vermutlich nur noch die Frage, ob er länger Kraft zum Aussitzen hat, als die Bild-Zeitung Lust ihn vor sich herzutreiben. Aber das ist wie bei Katz und Maus: Im richtigen Leben werden der Katze erst tote Mäuse langweilig.
(FDP? Vermutlich wieder keine Selbstauflösung beschlossen. Ich weiß es aber ehrlich gesagt nicht so genau, ich bin bei Patrick Röslers Rede bereits eingeschlafen gewesen.)
Tipp: Interview mit Wulff vom 04.04.2012
http://www.bundespraesident.de/DE/Home/home_node.html#-gallery
zwischenrufer / 06.01.2012