Marie Marguerite De Brinvilliers

Marie Marguerite De Brinvilliers

Spielerin – Giftmischerin – Mörderin

Marie-Madeleine-Marguerite d’Aubray, später Marquise de Brinvilliers, kommt am 2. Juli 1630 als Kind einer reichen, angesehenen Familie in einem vornehmen Palais in Paris zur Welt. Ihr Vater ist der stellvertretende oberste Richter von Paris. Das Mädchen genießt die beste Erziehung, die Kindern aus wohlhabendem Haus damals zuteil werden kann. Sie wächst zu einer kultivierten Dame heran – und zu einer der bekanntesten Giftmörderinnen der Kriminalgeschichte.

Jugend

Die junge Marie wird als schön, charmant, intelligent und geistreich beschrieben, sanft, mit schönen Augen und einem heiteren Naturell. Ihre Taten scheinen in so starkem Widerspruch dazu zu stehen. Später, nachdem ihre Giftmorde bekannt geworden sind, wird man ihr Sodomie unterstellen und die Verführung ihrer Brüder. Vorwürfe, die sich im zeitlichen Abstand nicht bestätigen lassen, die aber typisch sind für die Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts, wenn nach Erklärungen für Vorkommnisse gesucht, die sich dem landläufigen Verständnis entziehen. Dabei steckt in der Lebensgeschichte und dem Lebenswandel schon genug Material für Geschichten, ohne mutmaßlich hinzugedichtete reißerische Erzählungen von Inzest und Sodomie (was damals alle gesellschaftlich als abnorm wahrgenommenen sexuellen Praktiken bezeichnete).

Marquise de Brinvilliers bei der Wasserfolter (Quelle: Wiki)

Mit 21 wird sie mit dem Offizier Antoine Gobelin de Brinvilliers verheiratet. Auch er stammt aus wohlhabendem Haus. Seine Familie war durch den flandrischen Wollhandel reich geworden. Bald nach der Hochzeit wird Antoine Gobelin de Brinvilliers von Ludwig XIV. zum Marquis ernannt und Marie wird zur Marquise de Brinvilliers. Das Paar bekommt fünf Kinder. Marie ist die treusorgende Mutter, die von der Gesellschaft erwartet wird. Das Ehepaar kann mit Geld jedoch nicht umgehen. Marie neigt zu einem luxuriösen, verschwenderischen Lebensstil und ihr Mann steht ihr in nichts nach. Zudem ist Marie begeisterte Spielerin. Sie ist eine der ersten Frauen, die in Frankreich an den Spieltischen sitzen und dem Glücksspiel frönen darf. Obwohl aus wohlhabenden Familien stammend, muss das Paar immer weitere Kredite aufnehmen. Als sie keine mehr bekommen, verkaufen sie Ländereien und Besitztümer.

Liebhaber und Komplize

Auch die Beziehung zwischen den Eheleuten bricht mit damals geltenden Konventionen. Der Ehemann unterhält zahlreiche Geliebte und auch Marie hält sich nicht zurück, auch sie nimmt sich verschiedene Liebhaber. Als ihr Mann 1659 seinen Kriegskameraden, den Chevalier Jean Baptiste Sainte-Croix auf dem Anwesen des Paares zum Haushofmeister ernennt, beginnt die Marquise ein Verhältnis mit ihm. Auch Jean Baptiste ist Spieler. Marie kommt für seine Spielschulden auf und finanziert ihm ein teures Hobby: die Alchemie und Chemie. Zu den eigenen finanziellen Problemen kommen die ihres Geliebten hinzu.

Der Vater von Marie, der stellvertretende oberste Chefrichter von Paris, ist gegen die Affäre, lässt seine Tochter aber lange gewähren. Im März 1663 veranlasst er die Verhaftung des Chevalier. Er soll ein Jahr in der Bastille in Paris schmoren. Sainte-Croix bleibt jedoch nur anderthalb Monate in Haft und kehrt sofort nach seiner Entlassung zu seiner Geliebten zurück. Die Zeit in der Bastille hat er gut genutzt. Ein Mithäftling berichtet ihm von einem Gift, das nach damaligem Stand der Wissenschaft nicht nachweisbar sei. Der Marquise kommt das neu erlangte Wissen ihres Geliebten gerade recht. Sie glaubt, eine Lösung für ihre finanziellen Probleme gefunden zu haben und einen Weg, sich an ihrem Vater zu rächen: Sie plant seine Ermordung.

Die Bastille vor ihrer Zerstörung (Quelle: Wiki)

Der Geliebte nutzt seine neu errungenen Erkenntnisse des Giftmischens und die Marquise testet die Substanzen. Beiden ist klar, dass ein plötzlicher Tod des vitalen Oberrichters Verdacht erregen würde. Das über lange Zeit wirkende arsenhaltige Gift „Cantarella“ bringt die Lösung. Um Erfahrungen über Dosierung und Wirkung zu sammeln, engagiert sich die Marquise im La Charité, einem Armenspital, kümmert sich um die Bedürftigen und verteilt Lebensmittel. Niemand schöpft Verdacht, als dort nach und nach immer mehr Kranke sterben.

Vatermord und Erbe

Nun söhnt sich die Marquise zum Schein mit ihrem Vater aus und folgt ihm auf seinen Landsitz, wo sie die Betreuung des inzwischen auch gesundheitlich angeschlagenen Richters übernimmt. Sie hält Dritte von ihm fern und bereitet seine Speisen selbst zu. Über einen Zeitraum von acht Monaten verabreicht ihm die scheinbar aufopferungsvolle Tochter nach eigener Aussage etwa dreißig kleinere Dosen des Giftes. Am 10. September 1666 stirbt der Vater schließlich. Die chronische Vergiftung erscheint wie eine langanhaltende Erkrankung. Niemand schöpft Verdacht.

Um an das Vermögen ihres Vaters zu kommen, müssen auch die Geschwister aus dem Weg geräumt werden. Die Marquise zieht den Kammerdiener ihrer Brüder ins Vertrauen, verspricht ihm eine hohe finanzielle Entschädigung. Anfang April 1670 verbringen die Brüder die Osterferien auf einem Landgut. Ein Hauptgang wird vergiftet und sieben Personen zeigen Vergiftungserscheinungen. Im Juni des Jahres verstirbt zunächst der eine, wenig später der zweite Bruder. Die nachfolgende Leichenöffnung weist eine Schädigung der inneren Organe nach, die auf einen Giftmord hindeuten. Die Marquise verfügt über ein Alibi. Sie war nicht vor Ort. Der Kammerdiener gilt als treu ergeben und absolut unverdächtig. Die Schwester der Marquise ahnt, dass auch sie in Gefahr ist. Sie prüft alle ihre Speisen, doch auch sie stirbt an Vergiftung.

Die Aufklärung

Letztendlich werden die Mordfälle durch reinen Zufall aufgeklärt. Als Chevalier Jean Baptiste Sainte-Croix, der Liebhaber und Giftmischer der Marquise, im Juli 1672 – vermutlich an giftigen Gasen im Rahmen seiner chemischen Experimente – hochverschuldet stirbt, wird sein Nachlass auf gerichtliche Anordnung versiegelt. Die Gläubiger soll Gelegenheit bekommen, zumindest einen Teil seiner Schulden aus seinem Nachlass zu tilgen. Dabei stößt man auf eine Schatulle, versiegelt und mit einem Schreiben versehen, wonach sie der Marquise de Brinvilliers zuzustellen sei. In dem Kästchen finden sich von ihr ausgestellte Schuldscheine, eine Sammlung von Giften, sowie alle Briefe der Marquise an den Chevalier. Der Ausgangspunkt für die polizeilichen Ermittlungen.

Die Gifte werden an Tieren getestet und erweisen sich als tödlich. Weitere Nachforschungen führen zu Zeugenaussagen, die den Kammerdiener und die Marquise erheblich belasten. Als der Diener untertaucht, werden bei der Durchsuchung seiner Wohnung weitere Gifte gefunden. Er wird schließlich im September 1672 verhaftet. Die Marquise Marie Madeleine Marguerite de Brinvillier flieht zunächst nach England, während ihrem Helfer in Frankreich der Prozess gemacht wird. Er wird zum Tode durch Rädern verurteilt. Auch gegen die Marquise wird ein Verfahren in Abwesenheit geführt.

Vier Jahre später gelingt es der Polizei, auch die Marquise zu verhaften. Sie ist inzwischen von England nach Lüttich (heute Belgien) geflohen. Als französische Truppen 1675 die Stadt belagern, lässt sie sich von einem Priester in einem Kloster am Stadtrand verstecken. Im Frühjahr 1676 bekommt die Marquise Besuch von einem Mann aus Paris, einem Abbé, der sich der inzwischen 47-Jährigen als Verehrer ausgibt. Die beiden treffen sich außerhalb des Klosters, um gemeinsam die Nacht zu verbringen. Die Marquise wird von einem Verhaftungskommando erwartet, der „Abbé“ stellt sich als Sergeant der Pariser Polizei heraus. Die Giftmörderin Marie Madeleine Marguerite de Brinvillier wird verhaftet.

Marie Marguerite De Brinvilliers vor der Hinrichtung (Quelle: Wiki)

Im Kloster entdeckt die Polizei ein Kästchen mit Giftfläschchen und einem mit „Meine Beichte“ betitelten Schriftstück. Darin führt Marie alle Giftmorde detailliert auf. Als Angehörige des Adels genießt die Marquise das Privileg, durch eine Kammer des höchsten französischen Gerichts verurteilt zu werden. Die Hauptverhandlung findet zwischen dem 29. April und dem 16. Juli 1676 statt. Marie soll durch eine Wasserfolter dazu gezwungen werden, Mitwisser preis zu geben. Das Gericht sieht es aufgrund des in Lüttich aufgefundenen schriftlichen und des unter der Folter erbrachten mündlichen Geständnisses als erwiesen an, dass die Marquise ihren Vater und ihre beiden Brüder durch Gift ermordet hatte. Im Rahmen ihrer Testläufe für Giftmischungen im Armen-Spital soll sie zudem für den Tod weiterer 50 Menschen verantwortlich sein. Sie wird schließlich zum Tod auf dem Schafott verurteilt. Am 17. Juli 1676 wird sie hingerichtet, ihr Leichnam auf dem Place de Grève in Paris verbrannt und ihre Asche verstreut.

Was bleibt?

Gabriel Nicolas de La Reynie (1625-1709) Generalleutnant der Polizei von Paris (Quelle: Wikipedia)

Der spektakuläre Fall um die Marquise de Brinvilliers lenkt die Aufmerksamkeit der Ermittler auf eine Reihe ungeklärter Todesfälle im Umfeld prominenter Persönlichkeiten. Auch zahlreiche Angehörige des königlichen Hofes und des Hochadels scheinen involviert. Bald ist man sich sicher, dass man es mit einer ganzen Reihe von Giftmorden zu tun hat. Die Regierung muss handeln.  König Ludwig XIV. setzte die „Chambre ardente“ ein, ein Sondergericht zur Aufklärung der Giftaffäre, zu dessen Leiter der Generalleutnant der Polizei Gabriel Nicolas de la Reynie ernannt wird. Es folgen umfassende Untersuchung, eine obskure Mischung aus früher kriminalistischer Ermittlung und aus der berüchtigten Hexenverfolgung bekannten Praktiken. Die „Glühende Kammer“ (Chambre ardente) führte ihre Verfahren in einem schwarz abgedunkelten und nur durch Kerzenschein erhellten Raum. Gleich zu Beginn wird nicht allein im Hinblick auf die Herstellung, den Vertrieb und die Anwendung von Giften ermittelt. Das Übernatürliche gerät ins Visier der Untersuchung.

Eine Reihe von Wahrsagern und Alchemisten wird verdächtigt. Der Vorwurf: Wahrsagerei, das Abhalten spiritistischer Sitzungen und der Vertrieb von Liebestränken und sogenanntem „Erbschaftspulver“, bzw. Gift. Bald ermittelt das Sondergericht gegen einen angeblichen Pariser Hexenzirkel, dem vorgeworfen wird, französische Aristokraten mit Gift zu versorgen, um Angehörige des königlichen Hofes zu beseitigen. Mitglieder des Zirkels sollen zahlreiche Adlige, Banker und ein Rechtsanwalt sein. Auch ein angesehener Apotheker und Chemiker gerät unter Verdacht. Er soll die Gifte verkauft haben. Später gerät eine Wahrsagerin ins Visier der Ermittlung. Eine Agentin der Polizei gibt sich als Ehefrau aus, die bei der Wahrsagerin Gift kaufen will, um sich ihres Ehemannes zu entledigen. Ihr wird eine Flasche Gift verkauft. Die Falle schnappt zu. Zwei Wahrsagerinnen und weitere Komplizen werden verhaftet.

Nun folgen die Methoden aus den Zeiten der Hexenverfolgung: Die Inhaftierten werden gefoltert, verhört, beschuldigen sich gegenseitig. Eine Wahrsagerin gesteht, bei einer schwarzen Messe ihr Neugeborenes geopfert zu haben, ein als Zauberer Verdächtiger denunziert zwei Geistliche, über den Leibern nackter Mädchen schwarze Messen gelesen zu haben, er selbst habe ein Kind ermordet, das Blut aufgefangen und Herz und Eingeweide bei einer schwarzen Messe verwendet. Die klassischen Zutaten des Hexenglaubens, die Geständnisse durch Folter erzwungen.

Catherine Monvoisin Deshayes (Quelle: Wiki)

Zunehmend geraten auch Angehörige des Hofes ins Visier der Ermittler. Der plötzliche Tod der Herzogin von Orléans 1670 hatte bereits Verdacht erregt. Ihr Ehemann, der Bruder des Königs, war verdächtigt worden die Tat ausgeführt oder in Auftrag gegeben zu haben. Der Giftaffäre zieht weite Kreise.  Angehörige des königlichen Hofes werden verhaftet. Die Beschuldigten sind von hohem Stand. Die Beweise dürfen keinen Zweifel zulassen.  Es folgen weitere Verhöre von Wahrsagerinnen, Alchemisten und Apothekern, vorgeblichen Zauberern und Hexen. Die Mittel der Wahl: Spanischer Stiefel, Streckbank und Wasserfolter. Aussagen und Geständnisse werden durch die Folter erzwungen, die Hauptzeugen sind von zweifelhaftem Ruf, widersprechen sich oder nehmen ihre Geständnisse auf dem Scheiterhaufen zurück.

Gemälde wird Madame de Montespan zugeordnet (Quelle: Wikipedia)

Die Chambre ardente ermittelt bis 1680. Insgesamt werden 360 Personen verhaftet, es werden 218 Verhöre durchgeführt – viele von ihnen unter Anwendung von Folter – und 110 Urteile gesprochen. Zwei Verdächtige sterben unter der Folter, 36 werden durch das Schwert oder nach Art der Hexenverbrennung auf dem Scheiterhaufen hingerichtet, vier auf die Galeeren geschickt, 34 verbrannt und 30 freigesprochen. Die Spur führt auch zu Catherine Monvoisin Deshayes (genannt La Voisin). Durch angeblichen Zauber, Abtreibungen und den Verkauf von Giften soll sie ihr Einkommen aufgebessert haben. Sie hatte der Marquise de Brinvilliers die Zutaten für ihre Giftmischung verkauft. Die Zutaten für ihre Gifte und Tränke bezieht die La Voisin von dem angesehenen Apotheker und Chemiker Christophe Glaser. Die Mätresse des Sonnenkönigs Ludwig XIV., die Marquise de Montespan, soll bei ihr Liebestränke erstanden haben, um sich die Gunst des Königs zu erhalten. Auch der de Montespan wird die Teilnahme an schwarzen Messen zur Last gelegt, zudem steht sie in Verdacht, eine Konkurrentin vergiftet zu haben. Der Ermittler La Reynie verbringt zwei Jahre damit, Beweismittel gegen Madame de Montespan zu sammeln, während Angehörige der französischen Regierung alles tun, um die Affäre zu vertuschen. Die Mätresse ist Mutter der legitimen Nachkommen des Königs. Die Angelegenheit darf nicht an die Öffentlichkeit kommen. Catherine Monvoisin Deshayes wird zusammen mit mehreren ihrer Komplizen am 22. Februar 1680 zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt und auf dem Place de Grève in Paris hingerichtet.

Die Giftaffäre endet mit der letzten Hinrichtung im Juli 1683. Nur wenige Tage später erlässt der König ein Gesetz, das den Handel mit Giftstoffen regelt. Apotheker und Drogisten werden verpflichtet, ein Giftbuch zu führen, in dem alle Käufer von Giften aufgeführt  sind. Bereits ein Jahr zuvor, im Jahre 1682, erklärt die französische Regierung Hexerei zu Täuschung und Einbildung. Dem Hexenwahn, der sich in den Ermittlungen in der Giftaffäre zeigt, soll per Edikt ein Ende gesetzt werden. In weiten Teilen Europas läutet erst die Aufklärung ein Ende der Hexenverfolgung ein.

Mary Ann Cotton – Die Arsenmörderin

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Gerichtsmedizin noch in den Kinderschuhen steckte, tötete die englische Giftmörderin Mary Ann Cotton mindestens 14, vermutlich aber bis zu 21 Menschen – vier Ehemänner, einen Liebhaber, ihre Schwägerin sowie eine Reihe leiblicher und ihrer Obhut anvertrauter Kinder. Dass sie mit ihren Morden über Jahre ungestraft davonkam, ist neben der damals noch unzulänglichen gerichtsmedizinischen Praxis auch auf ärztliches Versagen zurückzuführen. Die Ärzte erkannten die Zusammenhänge zwischen den Todesfällen nicht.

Die frühen Jahre

Mary Ann Cotton, um 1870 (WikiCommons)

Die spätere Serienmörderin war im Oktober 1832 als Mary Ann Robson in Low Moorsley, nahe dem englischen Sunderland geboren. Als sie acht Jahre alt war, verzog die Familie in die Grafschaft Durham, wo Mary Ann den Großteil ihrer Jugend verlebte. Ihr Vater starb Anfang 1842 bei einem Arbeitsunfall im Bergwerk, Mutter und Tochter, die bis dahin in einer Mitarbeiterwohnung gelebt hatten, wurden daraufhin wohnungslos. Bereits im darauffolgenden Jahr heiratete die Mutter wieder. Mary Ann heiratete 1852 im Alter von 20 Jahren ihren ersten Ehemann, den 26jährigen Arbeiter William Mowbray, mit dem sie neun Kinder bekam. Nach und nach starben alle ihre Kinder bis auf die Tochter Isabella. In allen Fällen wurde ein „gastritisches Fieber“ – Magenfieber – als Todesursache festgestellt. Diese Diagnose sollten zwischen 1857 und 1872 noch mehrere Ärzte stellen. Das Massensterben fiel über Jahre nicht auf. Nicht lange nach dem Tod der Kinder, im Januar 1864, verstarb auch Mary Anns Ehemann. Als Todesursache wurde Diarrhöe angenommen. Seine Lebensversicherung in Höhe von 35 Pfund Sterling (nach aktuellem Wert ca. 3371 GBP) wurde an seine Witwe ausgezahlt. Mary Ann gab ihre überlebende Tochter Isabelle zu ihrer Mutter Margaret, zog nach Sunderland und arbeitete eine Zeit lang als Krankenpflegerin.

Weitere Ehen

Im August 1865 heiratete sie einen ihrer Patienten, den 32jährigen an Krebs erkrankten Georg Ward. Auch er verstarb bereits nur ein Jahr darauf am „gastritischen Fieber“. Auch er hinterließ Mary Ann eine Lebensversicherung. Im November 1866 ließ sich Mary Ann von dem Schiffsbauer James Robinson als Haushälterin anstellen. Einen Monat nach Dienstantritt verstarb Robinsons Baby, der Mann ließ sich von Mary Ann trösten und diese wurde erneut schwanger. Als Mary Anns Mutter 1867 erkrankte, reiste die Tochter zu ihr. Neun Tage nach ihrer Ankunft verstarb die Mutter im Alter von 54 Jahren. Mary Ann nahm ihre Tochter Isabella, die bis dahin bei der Großmutter gewohnt hatte, mit zurück zu James Robinson. Kurz darauf starben nicht nur Isabella, sondern ebenso die beiden Kinder James und Elizabeth der Robinsons. Die Lebensversicherung ihrer Tochter Isabella in Höhe von 5 Pfund Sterling und 10 Schilling ging an ihre Mutter Mary Ann. Im August heirateten James Robinson und Mary Ann, ihr gemeinsames Kind Margaret Isabelle starb bereits wenige Monate nach der Geburt. Im Juni 1869 wurde der gemeinsame Sohn George geboren. Als Mary Ann ihren Ehemann bat, eine Lebensversicherung auf den gemeinsamen Sohn abzuschließen, wurde dieser misstrauisch, überprüfte seine Finanzen, fand heraus, dass seine Ehefrau Geld veruntreut und die Möbel verpfändet hatte und warf sie aus dem Haus. Den gemeinsamen Sohn behielt er bei sich.

Old Hetton, Durham um 1820 (WikiCommons)

Über eine Freundin lernte Mary Ann den Frederik Cotton kennen. Sie kümmerte sich um die beiden Kinder des Witwers und beide heirateten im September 1870. Im Jahr darauf kam der gemeinsame Sohn Robert zur Welt. Auch den vierten Ehemann vergiftete Mary Ann. Er starb im Dezember 1871. Kurz darauf starben die Kinder Cottons. Auf alle liefen Lebensversicherungen, die an Mary Ann Cotton ausgezahlt wurden. Zwischenzeitlich hatte Mary Ann einen wohlhabenden Liebhaber dazu gebracht, sein Testament zu ihren Gunsten zu ändern. Auch er starb im September 1871. Als letztes starb Charles Edward Cotton, der letzte Sohn ihres verstorbenen Mannes. Endlich schöpfte ein Gemeindebeamter Verdacht. Lokale Zeitungen wurden auf den Fall aufmerksam und fanden heraus, dass Mary Ann in ganz Nordengland gelebt und zahlreiche Ehemänner, Liebhaber, eine Freundin, ihre Mutter und elf ihrer Kinder verloren hatte und alle angeblich an Magenfieber verstorben waren.

Ein Verdacht

Erst als sie noch vor Erstellung des Totenscheins durch einen Arzt bereits die Versicherung aufsuchte und die Auszahlung der Lebensversicherung einforderte, erregte dies Verdacht, dass bei den zahlreichen Todesfällen irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Bei dem letzten Opfer, ihrem Stiefsohn, wurde eine Arsenvergiftung festgestellt. Daraufhin wurden der Ehemann und die anderen beiden Kinder exhumiert und untersucht und auch sie wiesen eine Arsenvergiftung auf. Mary Ann Cotton, die sich mittlerweile einen weiteren Liebhaber zugelegt hatte, von dem sie ein Kind erwartete, wurde festgenommen. Ihr nunmehr 13. Kind gebar sie im Januar 1873 im Gefängnis von Durham.

Im März des 1873 wurde Mary Ann Cotton vom Schwurgericht in Durham angeklagt, aus juristischen Gründen lediglich wegen des Mordes an ihrem siebenjährigen Stiefsohn Charles Edward, und zum Tode verurteilte. Am Morgen des 24. März 1873 wurde Mary Ann Cotton im Bezirksgefängnis von Durham durch den Strang hingerichtet. Aufgrund einer Fehlfunktion brach sich Mary Ann bei der Hinrichtung nicht das Genick, sondern wurde langsam stranguliert.

Die Quellen geben abweichende Zahlen ihrer Opfer an. Mary Ann Cotton hatte 1857 und 1872 mindestens 14, womöglich jedoch bis zu 21 Menschen umgebracht. Sie ging als erste Serienmörderin in die britische Geschichte ein und ihr Name wurde zum Synonym für Arsenvergiftung.

Der Fall im Kinderreim

Mary Ann Cotton
She’s dead and she’s rotten!
She lies in her bed
with her eyes wide open.
Sind, sing! Oh, what can I sing?
Mary Ann Cotton is tied up with string.
Where, where? Up in the air
selling black puddens a penny a pair.