„Die jüngeren Historiker tun so, als ob sie in derselben Lage heldenhaft gewesen wären“: Alfred Grosser zu Gast im Münchener Presseclub


Zur Präsention des Buchs „München war anders! Das NS-Dokumentationszentrum und die dort ausgeblendeten Dokumente“ sprach am 16. Juni 2016 im Münchener Presseclub der mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnete Politologe Alfred Grosser. Eingangs verteidigte der große alte Mann der deutsch-französischen Freundschaft seine Entscheidung, ein Vorwort für den im kleinen Lau-Verlag erschienenen Band beigesteuert zu haben, wenngleich er einige Thesen seiner Verfasser Konrad Löw und Felix Dirsch als durchaus „übertrieben“ einschätze.

Das nicht unumstrittene katholisch-konservative Autorenduo Löw/Dirsch setzt sich kritisch mit der Dauerausstellung in dem im Mai 2015 eröffneten Münchner NS-Dokumentationszentrum auseinander. So wies Konrad Löw im Presseclub die Einschätzung zurück, das die Münchner während der NS-Zeit „überwiegend Mitläufer und Mittäter“ gewesen seien. Es werde in der Ausstellung hinsichtlich der Frage der Verbreitung antisemitischer Einstellungen „nur das Negative zitiert“, aber „das Positive unterschlagen“, bemängelte Löw.

Auch der 1925 in Frankfurt geborene Alfred Grosser, der als deutscher Jude 1933 mit seinen Eltern nach Frankreich emigrieren musste, monierte, dass in neuerer Literatur – wie etwa bei Götz Aly – allzu pauschal vom Antisemitismus „der Deutschen“ gesprochen werden, anstatt stärker zwischen unterschiedlichen Haltungen der deutschen Bevölkerung in der Zeit von 1933 bis 1945 zu differenzieren. „Die jüngeren Historiker tun so, als ob sie in derselben Lage heldenhaft gewesen wären“, fügte Grosser hinzu. Zugleich distanzierte er sich aber in anderen Punkten von Konrad Löws Positionen, etwa bei dessen Einschätzung der Haltung der katholischen Kirche im Nationalsozialismus, die Grosser als durchaus „ambivalent“ bezeichnete.


Im Publikum zugegen war auch einer der beiden Vorsitzenden des Kuratoriums des NS-Dokumentationszentrums, der Münchner Alt-OB Hans-Jochen Vogel. Wenngleich er sich eher skeptisch zu einigen Thesen Löws äußerte, etwa zur Rolle Kardinal Faulhabers in den 1920er und 1930er Jahren, setzte Vogel sich dennoch dafür ein, dass Kritik an der Ausstellung im NS-Dokuzentrum, soweit sie sachlich begründet werden könne, in jedem Fall „anzuhören” sei. Löw selbst beklagte in diesem Zusammenhang die bisher fehlende Bereitschaft des Leiters des NS-Dokuzentrums, Winfried Nerdinger, sich mit Einwänden überhaupt offen auseinanderzusetzen.


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