Die Familie Dumas (Teil I)

Sklaven – Revolutionäre – Schriftsteller

Wer kennt sie nicht die Klassiker der Weltliteratur, unzählige Male verfilmt in Starbesetzung: „Der Graf von Monte Christo“, „Der Mann mit der eisernen Maske“, „Die drei Musketiere“ und viele andere. Edmond, der spätere Graf von Monte Christo, hat mit zahllosen Rückschlägen zu kämpfen. Zu Beginn des Romans soll Edmund zum Kapitän befördert werden, die Hochzeit mit seiner Braut Mercédès steht an, die Welt steht ihm offen, doch Neid und Missgunst machen sein Glück zunichte. Er wird verleumdet, fälschlich als Agent des untergegangenen napoleonischen Regimes denunziert, es folgen vierzehn Jahre Kerker, Flucht, die Entdeckung eines Schatzes. Als Graf von Monte Christo kehrt Edmund zurück und übt Rache an seinen Feinden.

Ihr Verfasser Alexandre Dumas gelangte mit seinen Romanen zu Weltruhm. Weniger bekannt: Die Inspiration lieferte die eigene Familiengeschichte, insbesondere das bewegte Leben seines Vaters Thomas-Alexandre Dumas, der es vom Sklaven in der Karibik zum General in der napoleonischen Armee gebracht hatte.

 

Thomas-Alexandre Dumas

Sklave – Revolutionskämpfer – General

Thomas-Alexandre Dumas wurde 1762 als jüngstes von vier Kindern geboren, die aus einer Beziehung des Marquis Antoine-Alexandre Davy de la Pailleterie mit Marie-Cessette Dumas hervorgingen. Der Marquis, Spross einer alten normannischen Adelsfamilie, hatte auf der Zuckerplantage seines jüngeren Bruders auf der Karibik-Insel Saint-Domingue (heute Haiti) gelebt. Die beiden Brüder zerstritten sich jedoch und Antoine-Alexandre verließ 1748 fluchtartig die Plantage, nahm drei Sklaven seines Bruders und ließ sich unter falschem Namen auf einer Plantage in Jérémie nieder. Den Sklavenjägern, die ihm sein Bruder hinterherschickte, gelang es nicht, die Flüchtigen aufzustöbern, auch nicht den französischen Behörden, die wegen einer Nachlass-Angelegenheit nach ihm suchten. Es wurde daher allgemein angenommen, dass der Marquis verstorben sei. Währenddessen lebte dieser unerkannt unter dem Namen Antoin de’Isle in Jérémien, kaufte die schwarze Sklavin Marie-Cessette Dumas und zeugte mit ihr vier Kinder.

1775, Thomas-Alexandre war gerade 14 Jahre alt, verließ sein Vater die Insel und kehre nach Frankreich zurück. Das Schicksal von Marie-Cessette und von drei ihrer Kinder ist unklar. Nach einem späteren Bericht hat der Marquis sie verkauft, an anderer Stelle wird angegeben, Marie-Cessette sei bereits verstorben, bevor der Marquis die Karibik verließ. Belegt ist, dass Antoine-Alexandre seinen jüngsten Sohn Thomas-Alexandre in Port au Prince für 800 Livre verpfändet hatte, um seine Schiffsreise nach Frankreich bezahlen zu können. Wenig später wurde der Sohn von seinem Vater ausgelöst und im August 1776 nach Frankreich geholt. Nach geltendem Recht war Thomas-Alexandre mit Betreten französischen Bodens frei.

Thomas erhielt eine aristokratische Erziehung und trat im Alter von 24 Jahren als Dragoner in den Dienst der französischen Armee ein. Französische Adlige konnten ihre Militärkarriere im Range eines Offiziers beginnen, doch erschwerten die französischen Rassegesetze Thomas-Alexandre die Einforderung dieses Rechts. Der Vater bestand daher darauf, dass sein Sohn nicht unter dem Namen Davy de la Pailleterie in den Militärdienst eintrat, um den Namen der Familie nicht durch einen niederen Rang zu besudeln. Er begann seine Militärkarriere daher unter dem Namen seiner Mutter. Aus Thomas-Alexandre Davy de la Pailleterie wurde Thomas-Alexandre Dumas. Bald schon ließ er sich nur noch Alex Dumas nennen.

 

Alex Dumas – ein Legende schon zu Lebzeiten

Alex war ein Tausendsassa, der den Romanen seines Sohnes hätte entspringen können, oder vielmehr: Der Sohn bannte das abenteuerliche Leben seines Vaters auf Papier. Alex Dumas war in seiner Einheit berühmt für seine Stärke, seine Fechtkunst, seinen Mut und das ausgesprochene Talent, auch die schwierigsten Situationen erfolgreich zu meistern. Als General war er von seinen Feinden gefürchtet und von seinen Soldaten geliebt. Die Österreicher nannten ihn den „Schwarzen Teufel“. Bei der Truppe kursierten Erzählungen über seine Husarenstücke. In der Reitschule, so wird berichtet, habe er sich gern im Steigbügel aufgerichtet, mit den Händen einen Querbalken ergriffen und sich daran mitsamt Pferd in die Höhe gezogen. Mehrere Autoren berichten zudem übereinstimmend, Dumas habe einmal an einem Tag drei Duelle ausgetragen und trotz einer klaffenden Kopfwunde alle für sich entschieden.

Thomas-Alexandre Dumas, posthumes Porträt von Olivier Pichat (WikiCommons)

Wie glaubwürdig diese Geschichten sind, lässt sich im zeitlichen Abstand kaum noch verlässlich prüfen. Sie zeugen aber von der Legendenbildung um den General schon zu Lebzeiten. Die Anekdote über die drei an einem Tag ausgefochtenen Duelle hat jedoch zweifelsohne den Sohn, den Schriftsteller Alexandre Dumas, zu seiner wohl berühmtesten Romanszene inspiriert: den drei Duellen, die sein Held d’Artagnan am Tag seiner Ankunft in Paris mit den drei Musketieren Athos, Portos und Aramis verabredet. Vom Draufgängertum zeugt auch eine Episode, durch die die Armeeführung erstmals Notiz von Alex Dumas nahm. Dumas, damals noch einfacher Korporal, hatte eigenhändig zwölf feindliche Soldaten gefangen genommen und zurück in sein Feldlager gebracht. Wenig später führte er mit vier Kavalleristen einen Angriff auf eine mit mehr als fünfzig Mann besetzte feindliche Stellung, tötete selbst sechs und nahm 16 gefangen.

In den französischen Revolutionskriegen machte Thomas-Alexandre Dumas rasch Karriere. 1792 wurde er als Oberstleutnant der „Légion franche des Américains et du Midi“ befördert. Die Einheit bestand ausschließlich aus Gens de couleur libres, aus freien „Farbigen“. Ab September 1793 unterstand er dem Befehl von Joseph Bolgone de Saint-Georges, der ebenso wie Thomas-Alexandre als Sohn eines französischen Adligen und einer Sklavin in der Karibik geboren worden war. 1793 wurde Saint-George als Feind der Revolutionsregierung denunziert, 18 Monate inhaftiert und aus der Armee entlassen. Dumas wurde zum Divisionsgeneral befördert. 1794 übernahm er den Befehl über die Alpenarmee und im Oktober 1794 den Oberbefehl in der Vendée.

Dumas war keiner, der aus sicherer Entfernung Befehle erteilte. Er führte seine Truppen an und ritt mit ihnen in die Schlacht – damals eher unüblich. Auch als Kommandeur Tausender Soldaten führte Dumas weiterhin kleine Kommando-Einheiten an. Als Oberkommandierender der Alpen-Armee ließ er für sich und seine Männer spezielle Steigeisen anfertigen, führte einen kleinen Trupp bei Nacht über eine als unbezwingbar geltende Felswand hinauf, überfiel in einem Überraschungsangriff eine österreichische Artilleriestellung, erbeutete feindliches Kriegsmaterial, richtete die österreichischen Kanonen auf den Feind und erzwang so dessen Kapitulation. Es wurden Hunderte von Gefangenen gemacht und der Mont Cenis, das Tor zu den Alpen, war in französischer Hand.

 

Konflikte mit Robespierre, Lob von Napoleon

Wie schon sein ehemaliger Legions-Kommandeur Saint-George, geriet auch Thomas-Alexandre mit dem von Maximilien Robespierre geführten Wohlfahrtsausschuss aneinander. In einer Zeit, in der die radikalen Vertreter der Revolution im Namen ihrer Ideale unvorstellbare Gräueltaten verübten, machte einen jede Nachsicht verdächtig. Als Dumas zusammen mit anderen Einheiten zur Niederschlagung eines Aufstandes in das west-französische Vendée geschickt wurde, widersetzte sich der General dem unter der aufständischen Zivilbevölkerung angerichteten Blutbad. Eine gefährliche Zurückhaltung in Zeiten des revolutionären Terrorregimes. Ohnehin machte sich Dumas mit seinem Auftreten nicht nur Freunde. Er hielt sich mit seiner Meinung nicht zurück, hatte Probleme mit Autoritäten – eine im Militär ungünstige Eigenschaft – und gab auch Vorgesetzten freche Erwiderungen.

Es folgten Einsätze in Italien und Tirol und in 1798 die Teilnahme am Ägypten-Feldzug. Als sie beide noch Generäle der Französischen Revolution waren, lobte Napoleon Alex Dumas und dessen Heldenmut. Auf dem Ägyptenfeldzug, auf dem Dumas die Kavallerie kommandierte, kam es jedoch zum Bruch zwischen den beiden. Dumas, ein leidenschaftlicher Republikaner, sah sich als Kämpfer für die Befreiung er Welt, nicht als Eroberer. Napoleon hatte komplett andere Vorstellungen.

Bei seiner Rückkehr aus Ägypten im März 1799 geriet sein Schiff in ein Unwetter und musste in Tarent in Unteritalien anlegen. Die Stadt wurde jedoch nicht mehr von pro-französischen Kräften gehalten, sondern stand unter Kontrolle einer süditalienischen Miliz unter Führung des konterrevolutionären katholischen Kardinals Fabrizio Ruffo. Dumas wurde gefangen genommen und in Neapel inhaftiert. Im März 1801 wurde er freigelassen und kehrte, gezeichnet durch die Kerkerhaft, schwer krank nach Frankreich zurück. 1802 wurde sein Sohn Alexandre Dumas geboren, 1806 verstarb Thomas-Alexandre an Magenkrebs.

1906, zum 100. Jahrestag seines Todes, wurde zu Ehren des Generals auf dem Place Malherbes in Paris (heute Place du Général-Catroux) ein Denkmal errichtet. Es wurde 1940 unter deutscher Besatzung von französischen Kollaborateuren entfernt. Seit April 2009 befindet sich an dem Platz ein neues Denkmal, das gesprengte Sklavenketten darstellt. Tom Reiss widmete dem General ein Buch, für das er 2013 u.a. den Pulitzer-Preis in der Kategorie Biographie verliehen bekam. Das Werk ist 2013 unter dem Titel „Der schwarze General: Das Leben des wahren Grafen von Monte Christo“ auf Deutsch erschienen.

Joseph Bologne de Saint-Georges

Joseph Bologne de Saint-Georges
Chevalier – Komponist – Fechter

Der Sohn eines französischen Pflanzers und einer schwarzen Sklavin führte ein ereignisreiches Leben. Sein Weg führte ihn aus der Karibik zur Ausbildung nach Frankreich, durch die Konzertsäle Europas, warf ihn mitten hinein in die Wirren der Französischen Revolution. Seine Herkunft wurde wiederholt zum Anlass genommen, seiner Karriere aus rassistischen Vorbehalten Steine in den Weg zu legen.

Le Chevalier de Saint-Georges von Mather Brown, 1787

Am 25. Dezember 1745 wurde Joseph Bologne auf der Karibikinsel Gouadeloupe geboren. Sein Vater George de Bologne de Saint-Georges (1711-1774) war Pflanzer auf der zum französischen Kolonialreich gehörenden Insel. Seine aus dem Senegal stammende Mutter Elizabeth Francoise war Zofe bei Georges Ehefrau Anne Nanon und bei der Geburt von Joseph gerade mal 16 Jahre alt. 1747 wurde George zu einem Duell gefordert und verletzte dabei seinen Gegner schwer. Der Mann starb wenige Tage später. George wurde des Mordes angeklagt, floh und wurde am 31. März 1748 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, sein Besitz eingezogen.

Seine Ehefrau Anne Nanon kehrte daraufhin nach Frankreich zurück, gemeinsam mit ihrer Zofe und deren Sohn Joseph, dem illegitimen Kind von George de Bologne. Es war der Bruder des Vaters, wohlhabend mit besten Verbindungen zum Hof Ludwig XV, der Joseph den Weg zur höheren Bildung und in die feine Gesellschaft ebnete. Ab 1753 besuchte der Junge das Collège Saint-Louis im französischen Angoulême. Mit 13 Jahren erhielt er eine Fechtausbildung an der Schule des bekannten Fechtmeisters Nicolas Texier de la Boëssière, zudem eine musikalische Ausbildung. Ab 1763 verwendete Joseph den Titel seines Vaters und wurde im Jahr darauf in die Garde du corps du roi in Versailles aufgenommen, einer Elite-Einheit der Kavallerie. Mit 19 Jahren schloss er seine Ausbildung an der Fechtschule als einer der besten Fechter Europas ab. Wiederholt war sein Können Anlass, ihn zu Duellen herauszufordern. In mindestens einem Duell waren rassistische Beleidigungen eines Fechtmeisters Anlass genug für ein Duell. Joseph, damals Fechtschüler, besiegte Alexandre Picard, der ihn durch die Strassen von Rouen gefolgt war und ihn als „Boessiere’s mulatto“ beschimpft hatte.

Fechtduell zwischen St Georges und “La chevalière D’Eon”, 9. April 1787 im Carlton House, Gemälde von Charles Jean Robineau.

Josephs musikalische Anfänge sind nicht ganz eindeutig. So wird angenommen, dass er u.a. bei dem Violin-Virtuosen Pierre Gaviniès Unterricht nahm, doch gesichert ist dies nicht. Ende der 1760er Jahre trat er Gossecs Concerts des Amateurs bei, wo er 1772 mit zwei selbst komponierten Violinkonzerten debütierte und mit einem Schlag als Geigenvirtuose bekannt wurde. Als Gossec 1773 zum Direktor des Concert Spirituel ernannt wurde, übernahm Joseph die Leitung des Concert des Amateurs. Im selben Jahr erschienen sechs weitere Streichquartette. In den folgenden Jahren etablierte sich Joseph in der Pariser Musikszene.

Als sein Vater 1774 verstarb, erbte die Halbschwester die Plantagen auf Guadaloupe. Als außereheliches Kind erhielt Joseph nichts. Obwohl als Musiker, Komponist und vielseitiger Athlet eine in der Pariser Gesellschaft umschwärmten Persönlichkeiten, wurde er zunehmend mit Rassismus konfrontiert. An der Académie Royale de Musique weigerten sich einige Sängerinnen, unter einem „Mulatten“ zu singen, eine Tänzerin intervenierte gegen ihn durch einen einflussreichen Gönner bei Hofe und schließlich wurde die Berufung Josephs auf einen der Direktorenposten der Académie aus rassistischen Vorbehalten abgelehnt.

Es folgten 1777 die erste Oper und weitere Kompositionen. Sie blieben hinter dem Erfolg der ersten Werke zurück und Joseph komponierte keine eigenen Werke mehr, sondern konzentrierte sich auf seine Tätigkeit als Dirigent des Orchesters. 1781 wurde das Orchestre des Amateurs aus Geldmangel aufgelöst. Saint-George, der auch Mitglied der Freimaurer war, dirigierte seither das Orchester der Loge de la Parfaite Estime de Société Olympique, das mit 6570 Mitgliedern größte Orchester seiner Zeit. Die „Pariser Sinfonien“ von Joseph Haydn wurde unter seiner Leitung 1784 uraufgeführt.

Im Vorfeld der Französischen Revolution trat Saint-Georges in den Dienst des für seine revolutionäre Gesinnung bekannten Herzog von Orléans ein. 1787 reiste er im Geheimauftrag von Jacques Pierre Brissot, eines Jakobiners und späteren gemäßigten Republikaners, nach London und traf dort mit englischen Abolitionisten zusammen. Als im Mai 1789 die Generalstände einberufen wurden, war auch Saint-Georges dabei. Enttäuscht von der Haltung seines Dienstherrn, dem Herzog von Orléans, zog er 1790 nach Lolle und wurde im Rang eines Hauptmanns in die Garde Nationale aufgenommen. Ab September 1792 befehligte Saint-Georges ein eigenes Kommando von 1.000 Soldaten aus den französischen Kolonien, die „Légion franche de Cavalerie des Américains et du Midi“, einer Einheit, die ausschließlich aus Gens de couleur libres, aus freien „Farbigen“ bestand. Thomas Alexandre Dumas, der Vater des späteren Romanautors Alexandre Dumas, war einer von ihnen.

In den Wirren der Revolution wurde wiederholt versucht, Saint-Georges zum Seitenwechsel zu bewegen, um die Revolutionsregierung in einem Staatsstreich zu stürze. Er weigerte sich immer wieder. In der Zeit der Schreckensherrschaft des Wohlfahrtsausschusses wurde St. Georges im September 1793 denunziert und in der Folge für 18 Monate inhaftiert. Nach seiner Freilassung wurde er aus der Armee entlassen. Saint-Georges verstarb 1797 verarmt in Paris.

Das Leben von Joseph Bologne de Saint-George wurde 2003 in dem kanadischen Fernsehfilm „Le Mozart noir“ verfilmt, in Paris ist eine Straße nach ihm benannt und sein Heimatort auf Basse-Terre ehrt ihn mit einer Straße und einem Denkmal.

Bildquellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Saint-George_D%27Eon_Robineau.jpg
https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Bologne,_Chevalier_de_Saint-Georges#/media/Datei:Chevalier_de_Saint-Georges.JPG