Die Familie Dumas (Teil II)

Armut – Weltruhm Ruin

Alexandre Dumas, einer der bedeutendsten Vertreter der französischen Romantiker, wurde 1802 in Villers-Cotterêts geboren. Seine zahllosen Romane zählen zu den Klassikern der Weltliteratur, unzählige Male verfilmt in Starbesetzung. Was heute Netflix ist, waren damals die Fortsetzungsromane in den Tageszeitungen. Sein erfolgreichster Roman „Der Graf von Monte Christo“ erschien in Fortsetzungen im „Journal des débates“ und ließ die Auflage der Zeitungen in die Höhe schnellen. Dumas verstand sich auf überraschende Wendungen, verworrene Geschichten und Schicksalsschläge.

Seine eigene Familiengeschichte kann gut und gern als Roman-Vorlage dienen. Wenig bekannt: Alexandres Großmutter war die Sklavin Marie-Cessete Dumas, der Großvater der Marquis Antoine-Alexandre Davy de la Pailleterie. Der Vater des berühmten Autors, Thomas-Alexandre Dumas, in Sklaverei geboren, stieg im napoleonischen Frankreich bis zum General auf, verstarb dann jedoch früh nach Kerkerhaft und Krankheit. Bei Napoleon in Ungnade gefallen, war Thomas-Alexandre Dumas auf der Heimreise vom Ägypten-Feldzug 1799 in Neapel in Gefangenschaft geraten.

General ThomasAlexandre Dumas (WikiCommons)

Als er im März 1801 freigelassen wurde, war seine Gesundheit ruiniert. Er starb nur wenige Jahre später an Magenkrebs. Jahrelang bemühte sich seine Witwe erfolglos, vom Staat eine Rente zu erhalten. 1812 gelang es ihr immerhin, das Adelsprädikat für ihren zehnjährigen Sohn bestätigen zu lassen (Alexandre Dumas Davy de la Pailleterie). Alexandre war gerade mal vier Jahre als, als der Vater verstarb. Dennoch verehrte er ihn abgöttisch. Seine Abenteuer inspirierten ihn zu seinen Abenteuerromanen. Die Schmach versagter Ehrung des Vaters und der Armut, in der die Familie nach dessen Tod lebte, begleitete den verbitterten Sohn ein Leben lang.

 

Alexandre Dumas (1802-1870)

Erste Schritte als Autor

Alexandre Dumas der Ältere (WikiCommons)

Es war wirtschaftliche Not, die Alexandre dazu zwang, mit 14 Jahren eine Anstellung als Schreiber bei einem Notar anzunehmen. 1822 zog es ihn nach Paris. Durch Vermittlung eines Generalskollegen seines Vaters erlangte er eine Anstellung als Kopist und Sekretär im Büro des Herzogs von Orléans, dem späteren „Bürgerkönig“ Louis-Philippe. Hier schlug Dumas aus seiner schönen Handschrift Kapital – eine Fähigkeit, die vor der Erfindung der Schreibmaschine durchaus etwas wert war. Früh entdeckte Dumas auch sein Talent zum Schreiben.

1825 verdiente er sein erstes Honorar als Co-Autor eines Theaterstücks, 1826 ein weiteres. Es folgten Gedichte und journalistische Texte. Seit spätestens 1828 bewegte sich Dumas in den literarischen Kreisen, hatte Zugang zum Salon des Autors Charles Nodier, lernte dort die erste Generation der Romantiker kennen, unter ihnen solche literarischen Größen wie Victor Hugo. Dumas machte sich bald einen Namen als Autor von Theaterstücken. Sein größter Bühnenerfolg, das 1839 veröffentlichte Stück „Mademoiselle de Belle-Isle“, wurde bis 1844 mehr als 400 mal aufgeführt.

Die Drei Musketiere (1894, WikiCommons)

1835 wandte sich Dumas dem modischen Genre der Novelle zu und versuchte sich als Erzähler. 1838 tat er sich mit Auguste Maquet zusammen und verlegte Romane. 1845 erschien „Der Graf von Monte Christo“. Der erfolgreichste Roman von Alexandre Dumas erschien zunächst in Fortsetzungen im „Journal des débats“. Er begründete den Erfolg des Autors. Von nun an weitete er den Verlag zu einer regelrechten Roman-Fabrik aus. Dumas erdachte Hauptfiguren, entwarf Handlungsstränge, überließ das Texten seinen zahlreichen Lohnschreibern. So wurden jährlich bis zu 30 Abenteuerromane produziert, insgesamt etwa 600 Bände. Sie erschienen in der Regel zunächst als Fortsetzungsromane in Zeitungs-Feuilletons, bevor sie als Bücher gedruckt wurden.

 

Rassismus und Anerkennung

Der Vielschreiber Dumas war mit seinen zahllosen Romanen zu Ruhm und Geld gekommen. Trotz all seiner Erfolge – seine schwarze Abstammung wurde ihm Zeit seines Lebens vorgehalten. Denn seine Großmutter, Marie-Cessete Dumas, war eine schwarze Sklavin gewesen, sein Vater, Thomas-Alexandre Dumas, kam als unehelicher Sohn des Marquis Antoine-Alexandre Davy de la Pailleterie, dem abenteuerlustigen Spross einer alten normannischen Adelsfamilie, in der Karibik zur Welt. Thomas-Alexandre Dumas hatte erst in Frankreich seine Freiheit erlangt. Wenngleich er in der französischen Armee eine glänzende Karriere hinlegte, endete das Leben des Generals Dumas schließlich doch in Armut. Wie sehr dessen Sohn auch als berühmter Autor unter dem Schicksal seiner Familie zu leiden hatte, lässt der Roman „Georges“ aus dem Jahr 1843 erahnen, das wohl persönlichste Werk des Autors. Er spielt in den Jahren 1810 bis 1824 auf der Isle de France, dem späteren Mauritius. Der Held, ein kreolischer Mischling, kämpft gegen die rassistischen Vorurteile weißer Franzosen an, die ihm trotz seiner Erfolge die Anerkennung verwehren. Wegen seiner Herkunft wird der Protagonist nie als ebenbürtig erachtet. Dumas lässt hier eigene Erfahrungen mit Rassismus und Erlebnisse seines Vaters in die Handlung einfließen.

 

Der politische Dumas

Als König Karl X. 1830 versuchte, die Vorherrschaft des Adels in Frankreich wieder herzustellen und das Parlament aufzulösen, kam es im Juli 1830 in Paris zum Aufstand von Handwerkern, Arbeitern und Studenten. Die Regierung konfiszierte kurzerhand die Druckerpressen von Zeitungen, in denen Aufrufe zum Widerstand abgedruckt worden waren und inhaftierte die beteiligten Journalisten. Die Pariser Garnison wurde mit der Niederschlagung des Aufstandes beauftragt. Die Aufständischen errichteten Barrikaden in den Straßen der Hauptstadt, es kam zu Straßenkämpfen. Der König musste abdanken und zog ins Exil. Die Bourbonen waren endgültig gestürzt.

König Louis-Philippe I. (WikiCommons)

Alexandre Dumas beteiligte sich aktiv an der Julirevolution, kämpfte auf den Pariser Barrikaden und war dabei, als der Pulverturm von Paris erstürmt wurde. Er selbst berichtet später, er habe in einer Art Husarenstreich Schießpulver für den Widerstand aus dem hundert Kilometer entfernten Soissons herangeschafft. Der Wahrheitsgehalt dieser Darstellung lässt sich kaum überprüfen. Sein Gönner und erster Arbeitgeber in Paris, Louis Philippe von Orléans, kam als sogenannter „Bürgerkönig“ auf den Thron. Es begann die Periode der „Julimonarchie“, die als das Goldene Zeitalter des französischen Bürgertums gilt. Doch 1832 ging Dumas auf Distanz zu Louis-Philippe.

Dumas schrieb gern und häufig von idealistischen Freiheitshelden. Der italienische Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi entsprach diesem Ideal. Als Garibaldi Anfang September 1860 im Triumph nach Neapel einzog, reiste Dumas nach Sizilien, um seinem Helden nahe zu sein. 1860 bis 1864 verbrachte Dumas in Neapel. Garibaldi ernannte den Autor zum Direktor für Ausgrabungen und Museen. Dumas gründete seinerseits im Herbst 1860 die italienischsprachige Zeitung „L`Independente“, die die italienische Einigungsbewegung publizistisch begleitete und dankte es seinem Helden mit einer ausführlichen Biografie.

Als Autor war Dumas immer bemüht möglichst nah am Geschehen zu sein, teilzunehmen an historischen Ereignissen, Zeuge zu sein von dramatischen Konflikten. Er zog Parallelen zwischen der Julirevolution in Frankreich 1839, die den Sturz des Borbonenkönigs Karl X. zur Folge hatte, und den Bestrebungen um dem Kampf um eine Italienische Vereinigung. Der Autor verstand sich als Mensch der Schrift und Mensch des Politischen (homme de lettres et homme politique). Er wollte Geschichte mitgestalten, Mythen erschaffen. Seine historischen Romane verwoben historische Fakten mit Halb-Wahrheiten. Dumas verstand sie nicht als reine Fiktion. Durch seine Darstellung der Geschichte in Romanform wollte er eine höhere, in der Geschichte verborgene historische Wahrheit vermitteln.

 

Einmal Reichtum und zurück

Alexandre Dumas der Ältere, Denkmal in Paris (WikiCommons)

Der Autor von zwei Klassikern der Weltliteratur und Kopf einer Schreibmanufaktur, die 600 Abenteuerromane herausbrachte, hatte es aus der Armut heraus zu Ruhm und Ansehen und nicht zuletzt zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht, jedoch alles wieder verloren. Er hatte sich ein eigenes Theater errichtet, das nur drei Jahre nach der Eröffnung bankrott ging. Er ließ das Schloss von Monte-Cristo in Port-Marly bei Paris erbauen, veranstaltete häufige und große Feste. In seiner Zeit in Belgien unterstützte er aus Frankreich verbannte Schriftsteller im Exil, unter ihnen sein bester Freund Victor Hugo. Er hatte unzählige Liebschaften, zeugte fast ebenso viele uneheliche Kinder und versorgte jede seiner zahlreichen Mätressen mit einer kleinen Wohnung und einer Pension. Ein luxuriöser und ausschweifender Lebensstil, den sich auch der erfolgreiche Schriftsteller Alexandre Dumas nicht auf Dauer leisten konnte. Am Ende lebte er auf Pump und war gezwungen, die Nutzungsrechte an seinen zukünftigen Romanen abzutreten. Vor seinen Gläubigern flüchtete er auf langen Auslandsreisen nach Russland, Belgien und Italien. Am Ende seines Lebens war er finanziell völlig ruiniert. Er zog zu seinem Sohn nach Puy in der Nähe von Dieppe. Am 5. Dezember 1870 starb Alexandre Dumas im Alter von 68 Jahren in Armut an den Folgen eines Schlaganfalls.

 

Was bleibt?

Noch immer zählt Alexandre Dumas zu den meistgelesenen Autoren. Unzählige Male wurden seine Bücher verfilmt. 2002, zu seinem 200. Geburtstag, wurden die Gebeine des Schriftstellers in das Pariser Panthéon überführt, in die nationale Ruhmeshalle Frankreichs, wo sie neben Victor Hugo und Émile Zola ihre letzte Ruhestätte fanden. Die größte posthume Ehre für einen der größten Schriftsteller Frankreichs.