26.2.1885 – Kongo-Konferenz überlässt Leopold II. den Kongo als Privatkolonie

Am 26. Februar 1885 endet in Berlin die Westafrika- bzw. Kongo-Konferenz. 13 Staatschefs teilen das afrikanische Kolonialgebiet unter sich auf. Der Auftakt für die Ausbeutung eines Kontinents im großen Stil. Auf Betreiben des belgischen Königs Leopold II. hatte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck zwölf europäische Regierungschefs sowie Vertreter des Osmanischen Reiches und der USA eingeladen, um über den Freihandel und die Aufteilung Afrikas zu beraten. Die Ende Februar unterzeichnete „Kongo-Akte“ besiegelte die Inbesitznahme eines ganzen Kontinents. König Leopold wurde das Kongobecken zugesichert, ein Gebiet über siebzig Mal so groß wie Belgien. Das Deutsche Reich erhielt Kolonien in West- und Ostafrika.

Teilnehmer der Kongo-Konferenz 1884

Offiziell war der Kongo ein Freistaat und Eigentum der „Internationalen Kongo-Gesellschaft“ und daher nominell selbständig. König Leopold II. war jedoch alleiniger Eigentümer der Gesellschaft. Das Land war daher faktisch sein Privatbesitz. 1885 wurde die Gesellschaft aufgelöst und Leopold II. ließ sich vom belgischen Parlament als souveräner König des neu geschaffenen Freistaates Kongo bestätigen.

Gebiete der Konzessionsgesellschaften im Freistaat Kongo (1906)

Leopold baute seine Privatkolonie zunächst mit Teilen seines Privatvermögens auf. Eine Verwaltung wurde eingerichtet und eine Regierung in Boma eingesetzt. Sie war Leopold zur Rechenschaft verpflichtet und verfügte über diplomatische Vertretungen und eine eigene Armee, die „Force Publique“. Die Erschließung und Kolonisierung wurde im weiteren Verlauf vom belgischen Staat finanziert. Das Land wurde zunehmend verstaatlicht, was zu einem völligen Zusammenbruch der lokalen Wirtschaft führte. Landwirtschaft, Jagd und Fischerei galten als Diebstahl von Staatseigentum. Wurden neue Felder angelegt, wurde dies als Landraub angesehen. Die Folge: Millionen Menschen gerieten in Hungersnot.

Die Herrschaft war brutal, die Strafen drakonisch, kleinste Verstöße, wie das Nichterreichen der Ertragsquote oder das Nichtbefolgen von Befehlen, brutal bestraft. Frauen wurden als Geiseln genommen, um die Ehemänner zur Kautschukernte zu zwingen. Kam die Lieferung zu spät, wurden die Frauen umgebracht. Auch nach ihrer Auslösung starben viele durch die Folgen der Entbehrungen in der Geiselhaft. Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Begehrte ein Dorf gegen Zwang und Quoten auf, wurde es zerstört und Teile oder alle Einwohner erschossen. Widerspenstige Arbeiter wurden kopfüber an Bäumen aufgehängt und zum Sterben hängen gelassen, Beine mit Pfeilen durchbohrt, Menschen zu Tode gepeitscht, die Hände abgehackt oder Nasen abgeschnitten, Leichen als Abschreckung öffentlich zur Schau gestellt.

Die Ausbeutung des Landes wurde an Privatunternehmen gegen Konzessionen übertragen. Hauptaktionär dieser Unternehmen war zumeist Leopold. In anderen Fällen war festgelegt, dass dem König der Großteil des erwirtschafteten Gewinns zufloss. Der Bevölkerung wurde eine Kautschuk-Steuer auferlegt. Die Provinzverwalter forderten jeweils die Ablieferung einer bestimmten Menge Naturkautschuk ein. Mit der „Force Publique“ schuf sich Leopold eine Berufsarmee, deren bedingungslose Loyalität er sich durch umfassende Privilegien erkaufte. Sie war die Grundlage des späteren Kolonialterrors. Die Soldaten trieben die Kautschuksteuer ein. Sie wurden nach eingetriebener Menge entlohnt, was eine zügellose Gewaltherrschaft zur Folge hatte. Je brutaler die Männer vorgingen, desto größer war die Menge des abgepressten Kautschuks und umso höher die zu erwartende Provision. Wurden 1891 noch 100 Tonnen Naturkautschuk exportiert, war die Menge 1901 bereits auf 6.000 Tonnen angestiegen. Zugleich bedeutete der Zwang zur Kautschukabgabe, dass den Menschen immer weniger Zeit für den Anbau von Lebensmitteln zur Verfügung stand. Den daraus folgenden Hungersnöten fielen in manchen Gebieten 60 bis 90% der Bevölkerung zum Opfer.

1904: Der „Kongogräuel“ bringt Leopold II. unter Druck

Die brutale Ausbeutung des Landes und die Gewaltherrschaft der „Force Publique“ wurden als „Kongogräuel“ bekannt. Erste Berichte stammen von Missionaren, die in dem Gebiet tätig waren. Sie führten zur Jahrhundertwende zu internationalen Protesten.

Karikatur: König Leopold II. als Schlange, die einen Kautschuksammler umschlingt.

Der Druck der öffentlichen Meinung zwang Leopold II. 1904 eine Untersuchungskommission einzusetzen. Sie deckte Sklavenhandel und Zwangsarbeit auf. Der König kam nicht umhin, umfangreiche Reformen durchzuführen. 1908 bestätigten weitere Berichte, dass sich an der menschenunwürdigen Ausbeutungspraxis nichts geändert hatte. Die westlichen Nationen zwangen Leopold zum Verkauf des Kongo an den belgischen Staat. Leopold erhielt 500 Mio. belgische Francs sowie die Zusicherung, dass alle vom König unterstützten Bauprojekte im Umfang von 45 Mio. Francs finanziert würden. Zudem übernahm der belgische Staat die Staatsschulden des Freistaates in Höhe von 110 Mio. Francs. Am 15. November 1908 wurde das Gebiet in die Kolonie Belgisch-Kongo umgewandelt. 1910 wurde offiziell die Zwangsarbeit abgeschafft. Auch unter dem belgischen Staat wurde die Menschen im Kongo unterdrückt. Allein zwischen 1880 und 1920 halbierte sich die Bevölkerung. Von den 20 Mio. Einwohnern starben über 10 Mio. durch die kolonialen Gewaltverbrechen, durch Hunger, Entkräftung, Überarbeitung und Krankheit.

Die Berichte über das von ihm verantwortete Gewaltregime machten Leopold II. zu einem der am meisten gehassten Menschen in Europa. Am 17. Dezember 1909 starb er als ein von den übrigen europäischen Herrscherfamilien weitgehend isolierter Monarch. Bei seinem Trauerzug wurden seine sterblichen Überreste von der belgischen Bevölkerung ausgebuht.

Immer noch Schwierigkeiten im Umgang mit der verbrecherischen Kolonialvergangenheit

Reiterstandbild Leopold II. in Brüssel

Noch immer tut sich Belgien schwer mit den im Kongo verübten Verbrechen. In Belgien stehen zahlreiche Prunkbauten, die von Leopold II. in Auftrag gegeben, mit dem aus seiner Privatkolonie Kongo abgepressten Vermögen finanziert und zur weiteren Unterhaltung dem belgischen Staat übergeben wurden. In zahlreichen belgischen Städten finden sich Reiterstandbilder des Herrschers. In Ostende sägte 2004 die Aktionsgruppe „De Stoete Ostendenoare“ in Anspielung an die Gräueltaten die Hand eines Afrikaners im Ensemble eines Leopold II. gewidmeten Reiterstandbilds ab und forderten, dass sich die Stadt der Wahrheit über die im Kongo verübten Verbrechen des Ex-Königs bekenne. Im Zuge der von den Vereinigten Staaten ausgehenden Black Lives Matter-Bewegung beschloss schließlich die Stadtverwaltung von Antwerpen im Juni 2020, ein Standbild des Königs zu entfernen.

#BHM #Blackhistorymonth #Blackhistorymonth2022 #Kongo #geschichte #Belgien #Kolonialismus #Afrika

 

Bildquellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:MutilatedChildrenFromCongo.jpg

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Punch_congo_rubber_cartoon.jpg

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Statue_équestre_de_Léopold_II_-_02.JPG

https://de.wikipedia.org/wiki/Kongogräuel#/media/Datei:Map_Showing_Revenue_Divisions_Of_The_“Congo_Free_State”.png

https://de.wikipedia.org/wiki/Kongokonferenz#/media/Datei:Kongokonferenz.jpg