“Hofmohr” und preußischer Militär – zwei afrodeutsche Karrieren

August und Gustav Sabac el Cher

Zwei spannende, bis heute wenig bekannte afrodeutsche Biografien sind die von August Sabac el Cher, dem Leibdiener des preußischen Prinzen Albrecht und die von Augusts Sohn Gustav Sabac el Cher, einem afrodeutschen Militärmusiker der preußischen Armee.

Von Kairo nach Berlin

Beginnen wir mit August Sabac el Cher. Er stammte aus Ägypten, aus dem Gebiet des heutigen Sudan. Sein Vater, ein sudanesischer Scheich, war bei einem Aufstand gegen die Osmanen ums Leben gekommen. Die Mutter hatte daraufhin Suizid begangen. Der verwaiste Sohn wurde nach der Niederschlagung des Aufstandes verschleppt. Muhammad Ali Pascha, der Gouverneur der osmanischen Provinz Ägypten, machte ihn Prinz Albrecht von Preußen bei dessen Besuch in Ägypten im März 1843 zum Geschenk. Das Verschenken von „Mohrenkindern“* als Diener war zur damaligen Zeit durchaus üblich. Ebenso war es gang und gäbe, dass die neuen Herren ihnen einen neuen Namen gaben. Prinz Albrecht wählte für den wohl erst sieben Jahre alten Jungen die einzige arabische Wendung, die ihm bekannt war: Sabac el Cher, was „Guten Morgen“ bedeutet.

Mit Prinz Albrecht gelangte der Junge nach Berlin. Er wurde beim Gesinde des Prinz-Albrecht-Palais untergebracht, wuchs im unmittelbaren Umfeld des preußischen Hofes auf, erhielt Unterricht in deutscher Sprache und christlicher Religion. Ab 1851 war er Kammerdiener und wurde als Lakai einem Offizianten unterstellt. Bei seiner Taufe im April 1852 erhielt er zusätzlich die Vornamen August Albrecht. Im weiteren Verlauf stieg er zum Leibdiener und schließlich zum Silberverwalter von Prinz Albrecht auf, reiste in dessen Gefolge durch Europa und begleitete ihn zu Militäreinsätzen, so u.a. bei einem Einsatz zur Unterstützung der russischen Armee im Kaukasus. Von der russischen Zarin erhielt er eine goldene Taschenuhr, die sich bis heute im Familienbesitz befindet.

1864 nahm August Sabac el Cher im Dienste der preußischen Armee am Deutsch-Dänischen Krieg teil und 1866 an der Schlacht von Königgrätz. Ein Jahr später heiratete er die Tochter eines wohlhabenden Berliner Textilkaufmanns. Sie bezogen eine Wohnung im Prinz-Albrecht-Paials, Wilhelmstraße 102 in Berlin – dem Stadtschloss, in dem siebzig Jahre später das Reichssicherheitshauptamt untergebracht werden sollte.1868 wurde der Sohn Gustav Sabac el Cher geboren. 1870 nahm August auch am Deutsch-Französischen Krieg teil, sechs Jahre später schied er dann aus dem Dienst bei Hofe aus. 1882 erhielt August Sabac el Cher die Naturalisationsurkunde und galt damit rechtlich als preußischer Bürger.

Gustav der Militärmusiker

Sein Sohn Gustav Sabac el Cher machte Karriere als Militärmusiker und Rundfunkdirigent. Mit 17 Jahren trat er in die Kapelle des Brandenburgischen Füsilier-Regiments Nr. 35 und damit in die preußische Armee ein. 1895 wurde er Dirigent beim Grenadier-Regiment „König Friedrich III.“ Nr. 1 in Königsberg, wo er zu einer stadtbekannten Persönlichkeit wurde. 1901 heiratete er die Tochter eines Lehrers. Aus der Ehe gingen die beiden Söhne Horst und Herbert hervor. Trotz seiner Militärmusikerlaufbahn war Gustav Sabac el Cher in mindestens einem Fall direkt mit Rassismus konfrontiert. Dagegen klagte er aber vor Gericht wegen Beleidigung und gewann den Prozess 1908.

Die „Deutsche Zeitung“ hatte im Oktober 1907 in einem Leitartikel die Frage erörtert, ob es angebracht sei, dass in der deutschen Armee Schwarze als Vorgesetzte dienten und diese Frage auch gleich mit einem entschiedenen „Nein“ beantwortet. In einer ebenfalls abgedruckten Stellungnahme des Redakteurs Erich Peterson wurde Sabac el Cher direkt angegriffen, als „Nigger“ bezeichnet, der mit seiner „eigentümlichen Art der Tanzbewegungen“ die deutsche Musik verhunze u.a.m.

Kronprinz von Massow, Kommandeur des Grenadierregiments, sprang Sabac el Cher zur Seite und erwirkte den Abdruck seiner Stellungnahme in der Zeitung. In ihr ergriff er für seinen Musiker Partei. Zugleich ging Sabac el Cher auf dem Weg der Privatklage gegen den Redakteur vor. Redakteur Peterson ruderte zwar in dem Gerichtsverfahren zurück und behauptete, er habe Sabac el Cher keineswegs persönlich angreifen oder beleidigen wollen. Das Urteil wurde 1908 aber zugunsten von Sabac el Cher gesprochen und Redakteur Peterson so wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ein Jahr nach dieser Affäre, im Jahre 1909, quittierte Gustav Sabac el Cher den Dienst in der Armee und zog mit seiner Frau und den beiden Söhnen zurück nach Berlin. Er arbeitete fortan als Kapellmeister in verschiedenen Städten. Zur Zeit der Weimarer Republik war er als Dirigent bei einem Rundfunk-Orchester tätig.

Das Ende von Weimar und die Kameraden vom „Stahlhelm“

Ende der 1920er Jahre eröffnete Gustav Sabac el Cher in Königs-Wusterhausen eine gutgehende Gartenwirtschaft. Hier musizierte er häufig gemeinsam mit seinen Söhnen Horst und Herbert. Beide Söhne waren in die Fußstapfen des Vaters getreten, Horst als Pianist und Herbert als Violinist. Gustav war überzeugter Preuße und Offizier, identifizierte sich mit dem wilhelminischen Wertekanon. Regelmäßig waren seine Freunde und Kameraden vom „Stahlhelm“, dem „Bund der Frontsoldaten“ zu Gast. Längst schon hatte sich im Verband der Rassismus breit gemacht. Ob Gustav dies ausgeblendet hat oder noch immer der Korpsgeist seiner ehemaligen Kameraden überwog, ist nicht bekannt. Aber es scheint mindestens bemerkenswert.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten blieben die Gäste aus. Die Geschäfte liefen schlecht, die Gaststätte war nicht mehr zu halten. Ein daraufhin von Gustavs Familie in Berlin eröffnetes Kaffeehaus musste auf Druck der Behörden geschlossen werden. 1934 verstarb Gustav Sabac el Cher. Der im Exil lebende Kaiser Wilhelm II. übersandte ein Beileidstelegramm für den ehemaligen Dirigenten seines Königsberger Regiments.

Gustavs Frau starb ein Jahr später. Von Horst Sabac el Cher ist ein Foto überliefert, das ihn 1935 in der Uniform des Stahlhelms zeigt. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Sanitäter bei der Wehrmacht und kam 1943 an der Ostfront um. Sein Bruder Herbert überlebte den Krieg. Der erste Sohn von Herbert Sabac el Cher, unehelich geboren, besuchte eine “Nationalpolitische Erziehungsanstalt”, kurz: “Napola“, eine NS-Eliteschule.

Anmerkung: 

*Die Begriffe “Mohrenkinder”, “Hof-” und “Kammermohr” sind Kinder ihrer Zeit, Fremdzuschreibungen mit negativer Konnotation. Wir widmen ihr in einem späteren Beitrag im Rahmen des BHM2021 einen Exkurs.

Illustrationen aus Wikimedia: 

August Sabac el Cher: https://upload.wikimedia.org/…/August_Sabac_el_Cher…

Gustav Sabac el Cher: https://upload.wikimedia.org/…/e2/Gustav_Sabac_el_Cher.jpg