Der “Mohr” – zur Problematik eines historischen Begriffs

Andere Zeiten, andere sprachliche Sitten – das gilt auch für Black History. Historische Begriffe wie „Kammermohr“ und „Hofmohr“ sind zunächst einmal sprachliche Kinder ihrer Zeit. Im 18. Jahrhundert sind sie in etwa so gebräuchlich wie „Beutetürke“ oder „Hoftürke“ für Gefangengenommene aus den Türkenkriegen. “Hoftürken” trugen ähnlich wie “Hofmohren” in europäischen Fürstenhäusern als Diener zum damals modischen exotischen Sujet bei. Keine dieser Bezeichnungen ist wertneutral.

Wenn nun hier in Beiträgen zur Black History afrikanischstämmige Kammerdiener oder Hofbeschäftigte in einer bestimmten Zeit behandelt werden, kommt man schlecht drum herum, die damals gängigen Bezeichnungen zu verwenden. Im Sinne der kritischen Betrachtung des Untersuchungsgegenstandes erscheint es aber zwingend notwendig, sich die Herkunft dieser Begriffe bewusst zu machen. Dazu deshalb einige Bemerkungen in einem Begriffsexkurs zu der Black-History-Artikelserie dieses Blogs.

Herkunft des Begriffs

Der Begriff „Mohr“ leitet sich etymologisch vom griechischen „moros“ und dem lateinischen „maurus“ ab, aus dem im Althochdeutschen schließlich „mor“ und später „Mohr“ entstanden ist. Das lateinische „maurus“ steht zunächst für die Herkunft aus Mauretanien, später für „schwarz“, „dunkel“ und „afrikanisch“, das griechische „moros“ aus dem sich das lateinische “maurus” ableitet ebenfalls zunächst auf Mauretanien beziehend, später u.a. für „töricht“ und „dumm“. Der Begriff „Mohr“ ist daher vom Ursprung her eine Bezeichnung für eine aus einem bestimmten geografischen Zusammenhang stammende Gruppe, später jedoch zunehmend sowohl eine Beschreibung für dunkelhäutige Menschen, im weiteren Verlauf die für eine imaginierte Rasse. Eine Menschengruppe wird auf ihre Hautfarbe reduziert, bewertet und herabgewürdigt. Deshalb steht der Begriff im zeitlichen Zusammenhang des 18. Jahrhunderts nicht einfach für einen Schwarzen Diener, sondern für einen unterwürfigen, versklavten afrikanischen Hoflakaien.

Bedeutung im historischen Kontext

Betrachten wir nochmals näher die in der Blogartikelserie bisher beschriebenen Lakaien afrikanischer Herkunft. Hier ergibt sich ein durchaus ambivalentes Bild: Einerseits wurden sie durch die Bezeichnung „Kammer-“ oder „Hofmohr“ als unterwürfige, versklavte, afrikanische Diener gekennzeichnet. Der Subtext, der sich aus der aus dem Griechischen stammenden Bedeutung ableitet, deutet auf einen dummen, törichten Diener hin. Das beisst sich andererseits mit der ausgesprochen aufwendigen Ausbildung, die ihnen zuteil wurde. Schließlich sollten Hofmohren doch gerade auch durch ihre Bildung bestechen.

Hinzu kam die Aneignung des afrikanischen Dieners durch die Bestimmung seiner Kleidung, die Ausstaffierung mit einer exotisch-bunten Uniform. Dies symbolisierte eine Inbesitznahme der Person und verdeutlichte ihre Verfügbarkeit. Optisch hatte der “Hofmohr” dadurch zwar innerhalb der Dienerschaft eine hervorgehobene Sonderstellung, war aber zugleich auch abgesondert – Abgrenzung durch Hervorhebung. Die Wahl der Taufnahmen, zumeist in Anlehnung an den Namen des Dienstherren, stellt vor diesem Hintergrund eine weitere Form der Inbesitznahme der Person dar.

Angelo Soliman um 1750

Der Fall Soliman

Nehmen wir z.B. den im vorletzten Beitrag unserer Artikelserie thematisierten Fall des Angelo Soliman. Der zu seinen Lebzeiten aufgrund seiner Haltung und Bildung hoch angesehene und gerühmte Hofmohr Soliman war nach seinem Tode auf Geheiß des Kaisers präpariert und im Kaiserlichen Naturalienkabinett in Wien wie eine Jagdtrophäe ausgestopft worden. Man hatte ihn entkleidet, mit Ketten und Federn ausstaffiert, als „Wilden“ verkleidet und zwischen Tierpräparaten präsentiert.

Dies muss als der postume Versuch der erneuten Inbesitznahme der Person gewertet werden. Dem ehemaligen Sklave Soliman war es zu Lebzeiten gelungen, sich durch Bildung und Leistung aus seiner Position als Kammerdiener herauszuarbeiten. Als Prinzerzieher hatte er es zu einer hochangesehenen Persönlichkeit in Wien gebracht, pflegte mit hochadeligen und gekrönten Häuptern Europas Umgang und war zu guter Letzt von der Freimaurerloge „Zur wahren Eintracht“ in Wien aufgenommen worden.

Was anders als eine Negierung der Leistung zur Lebenszeit war es, wie mit dem Leichnam dieses angesehenen Höflings umgegangen wurde? Was anders als ein postumes Ausstoßen aus der höheren Gesellschaft Wiens war es, Soliman nach seinem Tod in einen „Wilden“ zu verwandeln und neben Tierpräparaten auszustellen? Auf die Emanzipation des lebenden folgte die Inbesitznahme des verstorbenen Soliman.

Aktuelle Auseinandersetzung

Während das „N“-Wort rassistisch ist und dies bereits seit Jahrzehnten auch in der breiten Gesellschaft erkannt wird, ist die Auseinandersetzung um den Begriff „Mohr“ zwar bereits seit Längerem im Gange, hat jedoch noch keinen Abschluss gefunden. Zu sehr wird mit zahlreichen Produkten, die mit dem Namen oder Konterfei eines „Mohren“ werben, etwas Positives verbunden. Zwar wird der Schoko- oder Schaumkuss schon längst nicht mehr „Negerkuss“ oder „Mohrenkopf“ genannt, doch fanden und finden sich noch zahlreiche “Mohren”-Abbildungen auf Produktverpackungen – so etwa der „Sarotti-Mohr“ (inzwischen der “Sarotti-Magier”) oder die Logos der Kaffeemarken Machwitz und Julius Meinl.

Dass inzwischen ein Umdenken stattfindet, zeigen Fälle von Umbenennungen. So wurde aus dem Augsburger Hotel „Drei Mohren“ das „Maximilian’s“. Die Berliner Mohrenstraße heißt seit August 2020 Anton-Wilhelm-Amo-Straße. Sicher ist das erst ein Anfang, denn die Auseinandersetzungen an anderer Stelle sind noch in vollem Gange.

 

Illustration aus Wikimedia: 

Angelo Soliman: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Angelo_Soliman.jpg?fbclid=IwAR1qrIKZnrIUb5dxiCs9gjtOXHHHMh3-GRoD9965e8UQuNLQuESIKM44icw