Philipp, jetzt hatten wir uns so gefreut, über deine Wahl zum FDP-Vorsitzenden. Am meisten für uns selbst natürlich, weil wir hofften dass uns künftig Guido Westerwelles gleichermaßen bescheuerte wie realitätsferne Leistungsträger-Arien erspart bleiben. Für dich auch, weil du ja so ein netter Kerl bist und eine so anrührende Vita mitbringst. Und natürlich am meisten für das Gemeinwohl: Du versprachst zu “liefern” statt immer nur zu lamentieren. Das ist zwar erst sechs Wochen her, aber wie dein legendärer Vorgänger hast auch du einen Fehlstart hingelegt.
Wechsel ins Wirtschaftsministerium klug
Da du noch “Welpenschutz” genießt, wollen wir milde sein. Vom Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium wären wir auch gewechselt. Dort fällt viel weniger auf, wenn nichts voran geht, was dein Vorgänger, die Blaupause aller Dampfplauderer, Rainer Brüderle, uns trefflich vorgeführt hat. Zudem kommst du mit dieser Rochade auch um die Erkenntnis herum, dass der Medizin- und Pharamindustrie ordentlich egal ist, wer unter der Knute ihrer Lobbyisten als “Gesundheitsminister” ihre Ziele gegen die Interessen der Versicherten und Kranken durchsetzt.
Wuchtbrumme ohne Doktortitel
Weniger schön ist da schon die Plagiatsaffäre um Silvana Koch-Mehrin. Zur letzten Europawahl hatte die blonde Wuchtbrumme aus Karlsruhe noch fett den – zwischenzeitlich aberkannten – Doktortitel auf jedes Plakat drucken lassen. Was andere EU-Parlamentarier (anderer Fraktionen) allerdings nicht davon abhielt, ihr häufiges Fehlen im Parlament zu kritisieren. Dass Frau Koch-Mehrin jetzt, nachdem rausgekommen ist, dass auch sie bei ihrer Doktorarbeit beschissen hat, alle arbeitsintensiven politischen Ämter niedergelegt hat und sich jetzt ganz auf das einträgliche Europamandat konzentrieren will, klingt wie ein Treppenwitz. Silvana Koch-Mehrin hat dem Eindruck Vorschub geleistet, sie sei eine ebenso faule wie gierige FDP-Politikerin und dabei eine Schande für jede Partei. (Mir wären wüstere Formulierungen eingefallen, aber Ex-Frau-Doktor klagt gerne.) Hier hättest du liefern können, Philipp, ein Machtwort, einen Arschtritt. Du hast geschwiegen, vermutlich weil ihr euch aus gemeinsamen Tagen im FDP-Kindergarten lange schon kennt.
Die Vermögen der Vermögenden retten
Vielleicht hattest du ja keine Zeit für solche uns in Rage bringenden Nichtigkeiten, schließlich retten jetzt alle die etwas auf sich halten die Griechen. Du natürlich auch. Obwohl alle wissen, dass die Griechen nicht zu retten sind. Denn tatsächlich rettet ihr ja nur die Banken, also das Geld der Reichen – auf Kosten aller Steuerzahler und der nächsten Generation(en). Auch hier, beim dreisten Bruch der europäischen Verträge, übrigens mit der Auflage verbunden, in Griechenland die Steuern zu erhöhen und endlich auch konsequent einzutreiben, hast du geschwiegen, aber – natürlich – mitgemacht.
Endlich: Steuersenkung!
Und mitten in dieses Schweigen hinein bläst du jetzt zur Hatz durch das Sommerloch? Willst, wie SPIEGEL Online berichtete, von Angela Merkel geduldet, ausgerechnet mit dem Thema Steuersenkung auf Werbetour? Hast du sie noch alle? Verstehst du das unter “liefern”? Vielleicht mag das ja daran liegen, dass deine vermögende Klientel erst zufrieden sein dürfte, wenn ihre Vermögensbildung vollständig von aller Verantwortung für das Gemeinwesen entkoppelt ist. Denn: Leisten nicht Zahnärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Mittelständler ohnehin tagtäglich schon genug für das Gemeinwohl? Wäre es da nicht ohnehin leistungsgerecht sie vollständig von Steuern zu befreien?
Ach wenn er nur geschwiegen hätte
Philipp, jetzt hatten wir uns so gefreut, für dich, auf dich. Aber natürlich sind mit einer Zustimmung von 95,08% bei der Wahl zum Vorsitzenden der FDP auch gewaltige Erwartung verbunden. Aber musstest du jetzt echt so schnell “liefern”? Von mir aus hättest du noch eine Weile schweigen können – zumindest mit dem unerträglichen Steuersenkungsgeschwafel. Wieder ein Politiker binnen weniger Wochen entzaubert. Schade, wirklich frischer Wind, ein FDP-Politiker der es ernst meint statt sich lediglich zu inszenieren, würde der Koalition wohltun.
zwischenrufer / 29.06.2011