Julian Assange beantragt politisches Asyl in Ecuador

WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist – um seine Auslieferung nach Schweden(!) zu verhindern – in die Botschaft Ecuadors in London geflohen und hat in Ecuador politisches Asyl beantragt. Nachdem der Oberste Gerichtshof in Großbritannien eine Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens abgelehnt hat, soll Assange sich vor einem schwedischen Gericht wegen Vergewaltigungs- und Nötigungsvorwürfen verantworten. Assange, der seit seiner Flucht nach Großbritannien im Dezember 2010 in London unter Hausarrest gestanden hatte, sieht sich selbst als politisch Verfolgten.

WikiLeaks fordert die USA heraus
Wir erinnern uns: Julian Assange war als Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks zum bekanntesten Kämpfer für freie Informationen aufgestiegen, nachdem WikiLeaks im November 2010 Tausende geheimer US-Dokumente, unter anderem über die Kriege im Irak und in Afghanistan, veröffentlicht hatte.

Assanges Aufstieg, WikiLeaks Niedergang
Mit Assanges Aufstieg zum Popstar geriet die Sache, WikiLeaks selbst, in die Krise. Ehemalige Weggefährten nennen Assange einen Egomanen und Verräter, haben sich längst von ihm abgewandt. Tatsächlich, wie sich Julian Assange von den internationalen Medien feiern ließ, passte nie zu den eigentlichen anonymen Taktiken der Whistleblower-Bewegung. Der geht es im Kern darum, durch schmerzhafte Öffentlichkeit die Macht der Mächtigen zu begrenzen. Darum das geheime Wissen der Mächtigen – zur Not auch formal rechtswidrig – ins Licht des öffentlichen Diskurses zu zerren. Fakten statt Propaganda, Wahrheit statt Medienspektakel.

Politisch motivierte Vorwürfe?
Die gegen ihn in Schweden erhobenen Vorwürfe wegen Vergewaltigung und Nötigung hat Assange selbst immer als poltisch motiviert bezeichnet. Er sehe seine Rechte von seinem Heimatland Australien nicht ausreichend geschützt, zudem werde in den USA, wo auf Spionage und Geheimnisverrat die Todesstrafe stehe, gegen ihn ermittelt. Ecuadors Außenministerium hat den Asylantrag diese Woche offiziell bestätigt.

Schweden ist definitiv ein Rechtsstaat!
Um nicht selbst der Versuchung aufzusitzen lediglich Propaganda zur Sache zu verbreiten: Schweden ist definitv ein europäischer Rechtsstaat, wenn auch mit einem vermutlich überkommenen Sexualstrafrecht. Doch bei allem Mißtrauen wird auch vor einem schwedischen Gericht ein einvernehmlicher Akt nicht zur Vergewaltigung umgedeutet werden, auch nicht politisch motiviert oder aus den USA ferngesteuert. Eine anschließende Auslieferung Assanges an die USA würde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – wegen der in den USA drohenden Todesstrafe – ohnehin verhindern. Europa liefert ja auch nicht an den Iran aus.

Unbesehen aller sonstigen Verdienste
Assange hat sich selbst aus der Anonymität der Hacker-Szene herauskatapultiert – nun muß er sich, ähnlich wie z.B. Dominique Strauss-Kahn, öffentlich fragen lassen, was er sich denn am Rande der unbestreitbaren Verdienste erlaubt, ggfs. rechtsverletztend genommen hat.

Global-öffentliches Recht am Wissen-Dürfen
Genau für dieses global-öffentliche Recht am Wissen-Dürfen dessen was lieber das Licht der Öffentlichkeit scheut, hat Julian Assange doch gestritten. Dass es nun gerade er ist, dessen Privatleben alsbald das schwedische Sexualstrafrecht auf seltene Weise zum öffentlichen Thema machen dürfte, ist eigentlich eine große Chance für Julian Assange.

Wäre ich Julian Assange, und wäre ich reinen Gewissens, würde ich mich der schwedischen Justiz bis zum endgültigen Freispruch stellen.

Allerdings wurde mir auch noch nie von konservativen amerikanischen Spitzenpolitikern mit dem Tode gedroht. Vielleicht ist Assanges Taktik, die politische Flucht – aus seiner Sicht – ja die einzige Überlebenstrategie. Ob sie aufgeht, entscheidet nun Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño.

zwischenrufer / 20.06.2012

Empfohlen zum Weiterlesen:

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/wikileaks-gruender-julian-assange-beantragt- asyl-in-ecuador-a-839851.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Assange#Haftbefehl_in_Schweden_und_Verhaftung_in_Gro.C3.9Fbritannien

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